Fakten über Dissoziative Identitätsstörung (DIS)

-Hiess früher Multiple Persönlichkeitsstörung.


-Wurde 1980 in das Handbuch für die Diagnose und Statistik mentaler
Störungen aufgenommen.


-Charakterisiert durch das Vorhandensein zweier oder mehrerer
getrennter Persönlichkeitszustände, die das Kommando über den Körper
übernehmen und eine Erinnerungsunfähigkeit verursachen können, die
die gewöhnliche Vergesslichkeit übersteigt. Der Zustand kann nicht auf
die Wirkung von Substanzen oder sonstige medizinische Ursachen
zurückgeführt werden.


-Begleiterscheinungen können sein: Depression, Angstzustände,
obsessives oder zwanghaftes Verhalten, Essstörungen,
Substanzenmissbrauch usw.


-Entsteht durch fortlaufenden oder wiederholten sexuellen und/oder
körperlichen Missbrauch in früher Kindheit.


-DIS ist ein Abwehrmechanismus, der das Kind vor dem vom Missbrauch
verursachten, physischen und emotionalen Schmerz schützt, indem ein
Teil seines Denkens oder Bewusstseins abgespalten wird, damit es mit
dem Missbrauchtrauma fertig werden kann. Im Laufe der Zeit und bei
wiederholtem Missbrauch entwickeln diese Teile eine eigene Identität.


-Personen mit DIS sind erwiesenermassen hochgradig
dissoziierungsanfällig (eine Bewusstseinsveränderung, bei der der
Einzelne und ein Aspekt seines Ich und seiner Umwelt voneinander
getrennt wird), überdurchschnittlich intelligent und schöpferisch. DIS
wird meist im Erwachsenenalter diagnostiziert und durch irgendeinen
Faktor ausgelöst, der die Zweit-Ichs zum Vorschein zu kommen zwingt.


-Die Erscheinungsformen sind in jedem Einzelfall verschieden, doch
treten in der Regel bestimmte Zweit-Ichs besonders häufig auf,
desgleichen gibt es Alter Egos des anderen Geschlechts, Selbsthilfe-
Persönlichkeiten, Verfolgungs-Persönlichkeiten, die sich oder anderen
Schaden zufügen können, sowie Kind-Persönlichkeiten.


-Co-Bewusstsein bezieht sich auf die Stärke des existentiellen
Miterlebens und Mitverhaltens zwischen der Gastpersönlichkeit und den
Alter Egos. Die Höhe des Co-Bewusstseins wechselt von Person zu
Person und reicht von völliger Unkenntnis anderer im System bis zum
vollkommenen Co-Bewusstsein, bei dem jedes Zweit-Ich in gewissem
Maße mitbekommt, was die Alter-Egos und die Gastpersönlichkeit tun
oder denken.


-Therapieziel sind die Stabilisierung der Person, Verringerung des
Dissoziationsgrades, Stärkung der Zusammenarbeit und des Co-
Bewusstseins innerhalb der Gruppe; sie führt oft letztendlich zu einem
Zusammenfließen der Alter-Egos in einer einzigen Persönlichkeit
(Integration genannt).


-Eine genaue Statistik fehlt zwar noch, aber in den USA reicht die
Schätzung von einer aus 500 bis zu einer aus 5.000 Personen, die mit
DIS befallen ist, mithin zwischen 250.000 und 2.500.000 Personen.


-DIS wird bei Frauen viermal häufiger als bei Männern diagnostiziert.


-Eine an DIS leidende Person verbringt wegen Fehldiagnosen und
mangelnder Kenntnis der Therapeuten im Durchschnitt sieben Jahre in
ihrem Zustand, bevor sie zutreffend diagnostiziert wird.
 
 
Symptome

Die Multiple Persönlichkeitsstörung (MPS) wird heute auch als Dissoziative Identitätsstörung (DIS) bezeichnet. Im folgenden wird daher dieser Name verwendet.

Personen, die diese psychische Störung aufweisen, besitzen zwei oder mehr Subpersönlichkeiten mit eigenen Erinnerungen, Verhaltensweisen, Gedanken und Gefühlen. Die Subpersönlichkeiten haben üblicherweise ihren eigenen Namen, was der "Tatsache" gerecht wird, daß sich die Subpersönlichkeiten in verschiedenen Merkmalen voneinander unterscheiden, die sich in 4 Bereiche unterteilen lassen:

Persönlichkeitsmerkmale (brav, tugendhaft, religiös, witzig, frech)
Sozialdaten (Alter, Geschlecht, Hautfarbe, Familiengeschichte)
Fähigkeiten und Vorlieben (Autofahren, Instrumente, Fremdsprachen, Handschriften)
Physiologische Aktivität (Aktivität des vegetativen Nervensystems, Blutdruck, Menstruationszyklus, Hirnströme gemessen durch EEG)

Zu einer Zeit kann immer nur eine Subpersönlichkeit das Verhalten der Person bestimmen und mit der Umwelt in Kontakt treten. Gewöhnlich zeigt sich eine der Subpersönlichkeiten, die primäre oder Gastgeberpersönlichkeit, häufiger als die anderen. Die primäre Identität, die den Namen der Person trägt, ist oft passiv, abhängig, schuldig oder depressiv. Andere Identitäten sind oft gegensätzlich (z.B.feindselig). Sie werden so erlebt, als ob sie auf Kosten der anderen die Kontrolle übernehmen (die Identitäten haben Beziehungen untereinander, gelegentlich teilt eine mächtige Identität die aktive Zeit ein). Der Übergang der Kontrolle von einer Subpersönlichkeit zu anderen erfolgt gewöhnlich plötzlich und ist oft dramatisch (meist nach belastendem Ereignis oder künstlich induziert, z.B. durch Hypnose). Für die Zeit der Kontrollübernahme durch andere Subpersönlichkeiten erlebt die primäre Identität meistens einen Gedächtnisverlust, der gewöhnlich das Symptom ist, aufgrund dessen sich die Person in Therapie begibt.

Die Anzahl der Subpersönlichkeiten kann von 2 bis mehr als 100 reichen. Die Hälfte der berichteten Fälle beziehen sich auf Personen mit 10 oder weniger Identitäten. Die Subpersönlichkeiten können auch jeweils in Zweier- oder Dreiergruppen auftreten.

Die Subpersönlichkeiten können drei Arten von Beziehungen untereinander haben:

wechselseitige Amnesie: Die Subpersönlichkeiten wissen nichts voneinander.
wechselseitiges Wissen: Die Subpersönlichkeiten wissen voneinander, sie hören sich gegenseitig und sprechen miteinander.
einseitige amnestische Beziehung: Am häufigsten kommt es vor, daß einige Subpersönlichkeiten (ko-bewußte Subpersönlichkeiten) von der Existenz der anderen wissen, als “stille Beobachter” die Handlungen und Gedanken der anderen beobachten, aber nicht mit diesen interagieren. Sie können sich manchmal, während eine andere Subpersönlichkeit dominiert, durch indirekte Mittel bemerkbar machen, z.B. durch akustische Halluzinationen (Stimme spricht) oder "automatisches Schreiben".

Häufigkeit der Störung

Die Störung wird meistens zum ersten Mal in der Adoleszenz oder dem frühen Erwachsenenalter diagnostiziert. Allerdings wird angenommen, daß sich die Symptome bereits in der frühen Kindheit nach Mißbrauchserlebnissen entwickeln (üblicherweise vor einem Alter von 5 Jahren). Studien zufolge wurden 97% der Betroffenen in ihren ersten Lebensjahren körperlich, oft sexuell mißhandelt. Bei Frauen wird die Störung drei- bis neunmal so häufig diagnostiziert wie bei Männern. Die durchschnittliche Anzahl der Subpersönlichkeiten beträgt bei Frauen 15, bei Männern 8.

Die Störung ist selten, doch wird sie in neuerer Zeit v.a. in den USA häufiger als früher diagnostiziert (bis 1970: 100 Fälle publiziert; bis Mitte der 70er Jahre: 200 Fälle; Anfang der 80er Jahre: 400 Fälle). Man nimmt als Grund der häufigeren Diagnose an, daß die Störung für authentischer gehalten wird, während sie früher vielleicht häufiger als Schizophrenie diagnostiziert wurde.


Vermutete Ursachen

Zur Erklärung der Dissoziativen Identitätsstörung gibt es eine Reihe von Vermutungen, die alle relativ spekulativ sind. Einige von ihnen werden näher erläutert:


Tiefenpsychologische Ansicht
Nach diesem Ansatz sollen dissoziative Störungen das Resultat extremer und dysfunktionaler Verdrängungsprozesse sein, die der Abwehr von Angst dienen. Bei der Dissoziativen Identitätsstörung soll es sich um eine lebenslange, übermäßige Verdrängung handeln, die durch extrem traumatische Kindheitserfahrungen (insbesondere Mißhandlungen durch die Eltern) ausgelöst werden. Dabei findet eine symbolische Flucht in "andere Personen" statt, die dem Geschehen aus sicherer Entfernung zusehen können. Dazu kommt die Furcht vor den Impulsen, die angeblich zu ihrer Mißhandlung führen, so daß sie sich bemühen immer "brav" und "anständig" zu sein. Immer wenn die verdrängten Impulse durchzubrechen drohen, werden sie anderen Persönlichkeiten zugeordnet. Dadurch soll es zu einer gehemmten, freudlosen Primärpersönlichkeit kommen, während die anderen Subpersönlichkeiten dreist und triebgesteuert sind.

Der psychodynamische Ansatz bezieht seine Bestätigung aus Fallgeschichten, in denen sich meistens brutale Kindheitserfahrungen finden. Allerdings gibt es auch Fälle, bei denen der Hintergrund nicht eindeutig auffällig zu sein scheint. Außerdem ist die Häufigkeit von Kindesmißhandlung viel größer als die der Dissoziativen Störungen. Es bleibt die Frage offen, warum nur ein kleiner Teil der mißhandelten Kinder dissoziative Symptome entwickeln.


Verhaltenstherapeutische Ansicht
Der lerntheoretische Ansatz weist Ähnlichkeiten und Unterschiede zum psychodynamischen Erklärungsansatz auf: Zum einen wird wie beim psychodynamischen Ansatz ein traumatisches Erlebnis als Ausgangspunkt angenommen und das Verhalten als Versuch der Angstreduzierung gesehen. Nach beiden Ansätzen besteht bei den Betroffenen keine Einsicht darin, daß die Reaktion der Angstreduzierung dient. Zum anderen sieht der lerntheoretische Ansatz das erste Auftreten der dissoziativen Symptome eher als zufällig an, während die Psychodynamiker sie bereits für zielgerichtete Versuche halten. Zudem ist der zugrundeliegende Prozeß für die Lerntheoretiker der der negativen Verstärkung und nicht der eines unbewußten Abwehrmechanismus.

Der lerntheoretische Ansatz mußte sich ebenfalls stark auf Fallgeschichten beziehen, die zwar mit den lerntheoretischen Hypothesen übereinstimmen, aber auch mit anderen Erklärungsmöglichkeiten. Die lerntheoretische Erklärung beinhaltet auch keine Aussagen, wie genau der Prozeß der zeitweisen Ablenkung von schmerzlichen Erinnerungen geschehen soll und wie er zu einer erworbenen Reaktion wird. Außerdem ist nicht klar, warum nicht mehr Menschen dissoziative Störungen entwickeln, wenn doch temporäres Vergessen im Leben oft verstärkt wird. Die komplizierten Wechselwirkungen der Subpersönlichkeiten kann der Ansatz ebenfalls nicht erklären.

Erklärungsansatz auf Basis des zustandsabhängigen Lernens
Beim Erklärungsversuch durch das zustandsabhängige Lernen wird auf Untersuchungsbefunde zurückgegriffen, die besagen, daß die beste Erinnerung an Lerninhalte in einer Situation stattfindet, die der Lernsituation stark ähnelt. Ausgangspunkt der Forschung zum zustandsabhängigen Lernen waren Lernaufgaben von Tieren unter Einfluß von Drogen, wobei die beste Erinnerungsleistung dann gemessen wurde, wenn die Tiere unter Drogen standen (z.B. Pusakulich & Nielson, 1976). Forschungsarbeiten an Menschen zeigten später, daß das zustandsabhängige Lernen sowohl auf psychische als auch auf physiologische Zustände bezogen ist. Bei Menschen fand man z.B., daß die Stimmung auf das Lernen und die Erinnerung einen Einfluß hatte: Wenn unter fröhlicher Stimmung gelernt wurde, wurde unter fröhlicher Stimmung am besten erinnert (Bower, 1981).

Bei der Übertragung dieser Befunde zur Erklärung der Dissoziativen Identitätsstörung wird davon ausgegangen, daß unterschiedliche Erregungsniveaus im Gehirn möglicherweise unterschiedliche Gruppen von Erinnerungen, Gedanken und Fertigkeiten hervorrufen - also unterschiedliche “Subpersönlichkeiten”. Wenn die Erregungsniveaus sich stark ändern, können die während eines ähnlichen Zustands erworbenen Fähigkeiten hervortreten, während die unter einem anderen Zustand erworbenen verschwinden. Die abrupten Wechsel zwischen den Subpersönlichkeiten sprechen für diesen Ansatz.

Erklärungsansatz auf Basis der Selbsthypnose
Hypnose ist ein schlafähnlicher Zustand mit hohem Grad an Suggestibilität und verändertem Wahrnehmen, Denken und Handeln. Unter Hypnose ist es bei manchen Personen manchmal möglich, daß sie sich an scheinbar vergessene Ereignisse erinnern. Andererseits kann die Hypnose auch zum Vergessen von Tatsachen, Ereignissen und der persönlichen Identität führen, etwas, was als hypnotische Amnesie bezeichnet wird.

Die typische Untersuchungssituation zur hypnotischen Amnesie besteht aus dem Lernen einer Wortliste und der hypnotischen Instruktion zum Vergessen des Gelernten bis zum Aufhebungssignal (z.B. Fingerschnalzen). Die Experimente nach diesem Schema zeigen eine starke Beeinträchtigung der Reproduktionsleistung bis zum Aufhebungssignal. Außerdem ist das episodische Gedächtnis, das die Erinnerungen an die eigenen Lebenserfahrungen enthält, stärker hypnotisch beeinflußbar als das semantische Gedächtnis, das Erinnerungen an das Weltwissen wie z.B. geschichtliche Daten, den Namen des Bundeskanzlers, das Wissen über das Funktionsprinzip eines Autos enthält.

Die Anwendung der Kenntnisse über Hypnose auf die Dissoziative Identitätsstörung stützt sich auf das bei beiden Phänomenen vorkommende Vergessen mit späterer Erinnerung, ein Vergessen, das den Personen nicht bewußt ist, und ein leichteres Vergessen episodischer als semantischer Inhalte. Es wird angenommen, daß sich die Betroffenen sich unter Selbsthypnose dazu bringen, negative Erinnerungen zu vergessen. Nach einem Bericht von Bliss (1980) über 14 Frauen, die unter Dissoziativer Identitätsstörung litten, waren alle Frauen leicht empfänglich für Hypnose und hatten eine lange Vorgeschichte möglicher Selbsthypnosen, die bis ins 5. bis 7. Lebensjahr zurückreichte. Dieser Bericht wurde durch weitere Studien bestätigt. Aufgrund dieser Untersuchungen gehen viele Theoretiker heute davon aus, daß die Störung in der Regel mit 4 bis 6 Jahren beginnt, da die Kinder in diesem Lebensalter sehr suggestibel sind und gute Hypnoseprobanden abgeben. Danach gelingt es manchen traumatisierten oder mißbrauchten Kindern, ihrer bedrohlichen Welt durch Selbsthypnose zu entfliehen, sich psychisch von ihrem Körper und dessen Umgebung zu trennen und sich ihren Wunsch, eine oder mehrere andere Personen zu sein, zu erfüllen.
 
Die Therapie der Dissoziativen Identitätsstörung


Spontanremissionen sind bei der Dissoziativen Identitätsstörung selten. Daher ist eine Therapie in fast jedem Fall notwendig. Das Therapiekonzept besteht darin, den Betroffenen zu helfen,

-die volle Tragweite ihrer Störung zu erkennen und zu verstehen,
-ihre Gedächtnislücken aufzufüllen,
-ihre Subpersönlichkeiten zu einer zu integrieren.

Therapieelement I - Störung erkennen

Zu Beginn wird ein therapeutisches Bündnis zwischen dem Therapeuten und jeder der Subpersönlichkeiten angestrebt. Es können auch Verträge geschlossen werden, um einem Abbruch der Therapie, Selbstschädigungen oder Suizid vorzubeugen. Oft sind diese Bündnisse nicht leicht herzustellen, was auf das durch den Mißbrauch zurückzuführende Mißtrauen der Subpersönlichkeiten gegenüber anderen zurückzuführen ist.

Für die Patienten ist es meistens schwierig, die volle Tragweite ihrer Störung zu erkennen, weil sie sich oft niemals dem Umstand gestellt haben, daß sie in mehrere Subpersönlichkeiten zerfallen. Dies wird z.T. durch die gegenseitigen Amnesien der Subpersönlichkeiten untereinander zurückgeführt. Daher ist es wichtig, daß sich die Patienten bewußt werden, daß sie mehrere Subpersönlichkeiten beherbergen. Dies kann z.B. durch Vorstellen der Subpersönlichkeiten untereinander in der Hypnose oder auch durch Videovorführungen der Subpersönlichkeiten geschehen. Die Erkenntnisprozeß ist meistens mit starken emotionalen Belastungen für die Patienten verbunden.

Viele Therapeuten meinen, daß eine Gruppentherapie in diesem Fall sinnvoll ist, weil die Betroffenen merken, daß sie nicht allein mit ihrer Störung sind. Außerdem wird häufig eine Familientherapie durchgeführt, um die Ehepartner, Kinder und Angehörigen über die Störung zu informieren. Die Angehörigen können außerdem oft wertvolle Informationen über die Subpersönlichkeiten beisteuern.

Therapieelement II - Erinnerungen wiederfinden

In diesem Therapieabschnitt werden viele der Techniken eingesetzt, die auch bei anderen dissoziativen Störungen angewendet werden (psychodynamische Therapie, Hypnotherapie und Barbiturate). Das besondere Problem bei der Dissoziativen Identitätsstörung besteht darin, daß die Erinnerungen nicht nur durch die eine Subpersönlichkeit vergessen wurden, sondern daß sie zu anderen Identitäten gehören. Es gibt oft "Beschützer"-Subpersönlichkeiten, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Primärpersönlichkeit vor den traumatischen Erfahrungen zu bewahren. Wenn sich die Primärpersönlichkeit an diese Erfahrungen erinnern soll, dann setzen besonders diese "Beschützer"-Subpersönlichkeiten dem therapeutischen Bemühen Widerstand entgegen. Es kommt manchmal vor, daß die Patienten selbstdestruktiv und gewalttätig werden, wenn in der Therapie Erinnerungen aufgedeckt werden, so daß eine stationäre Aufnahme notwendig wird.

Therapieelement III - Integration de Subpersönlichkeiten

Das endgültige Therapieziel besteht in der Integration der Subpersönlichkeiten in eine. Die Integration ist ein kontinuierlicher Prozeß, der sich während der Therapie nur dann vollzieht, wenn die Grenzen zwischen Subpersönlichkeiten durchlässig werden, so daß der Betroffene schließlich ständig die Kontrolle über seine Verhaltensweisen, Gefühle und Gedanken hat. Die letztendliche Verschmelzung aller Subpersönlichkeiten zu einer wird als Fusion bezeichnet (feindliche Übernahme?). Der Integration begegnen die Subpersönlichkeiten meistens mit Mißtrauen oder vollständiger Ablehnung, weil sie die Integration mit ihrem Tod gleichsetzen.

Für die Integration wurden eine Reihe von Ansätzen vorgeschlagen, u.a. psychodynamische, unterstützende, kognitive und medikamentöse Therapie. Auch Selbstsicherheitstraining kann angewendet werden, so daß der Betroffene lernt, seine Wut auf eine funktionalere und befriedigendere Weise auszudrücken, was manchmal zu einem Verschwinden der aggressiven und feindseligen Subpersönlichkeiten führen kann. Manche Therapeuten nutzen aber auch Diskussionen und Interaktionen zwischen den Subpersönlichkeiten, so ähnlich wie in einer Gruppentherapie.

Nach einer Fusion der Subpersönlichkeiten muß die Therapie fortgesetzt werden, um die integrierte Persönlichkeit zu festigen und die sozialen und Bewältigungsmechanismen zu entwickeln, damit keine weiteren Dissoziationen auftreten. Ohne die fortgesetzte Therapie besteht die Gefahr eine erneuten dissoziativen Reaktion auf zukünftige akute Belastungen.

Beurteilung der Therapie

Die Therapie ist meistens langwierig, ihre Wirksamkeit umstritten. So berichten einige Therapeuten von hohen Erfolgsraten, während andere von Widerstand gegen eine vollständige Integration bei den meisten Betroffenen sprechen. Einige Therapeuten stellen die vollständige Integration der Subpersönlichkeiten zu einer Identität auch in Frage, weil sie meinen, daß die Patienten eine zufriedenstellende Anpassung erreichen, wenn nur die schwerer gestörten Subpersönlichkeiten integriert werden.
 
Die Suche nach einem geeigneten Therapeuten
 
gestaltet sich bei der Dissoziativen Identitätsstörung häufig schwierig. Zum einen haben viele der Patienten schon schlechte Erfahrungen mit Behandlungen aufgrund falscher Diagnosen gemacht. Zum anderen fällt es Personen, die unter einer Dissoziativen Identitätsstörung leiden, häufig schwer Vertrauen zu fassen. Dies ist aber für sie die notwendige Bedingung, um sich auf die Therapie einlassen zu können. Es empfiehlt sich für die Betroffenen, einen Therapeuten aufzusuchen, der sich auf die Behandlung von traumatisierten Personen spezialisiert hat. Eine Therapie bei Dissoziativer Identitätsstörung dauert meist über viele Jahre – eine Dauer die leider oft nicht vollständig von den Krankenkassen bezahlt wird.

Das Ziel der Therapie der Multiplen Persönlichkeitsstörung sollte es sein, größtmögliches Wohlbefinden und Stabilisierung für den Patienten zu erreichen. Es ist umstritten, ob dies nur nach einer gelungenen Integration der Teilidentitäten gelingen kann: viele der Betroffenen lehnen dies als Ziel der Behandlung ab. Bei Bedarf kann eine medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva und Beruhigungsmitteln durchgeführt werden, die sich allerdings allein auf die Symptome auswirkt, während die zugrundeliegenden Ursachen unangetastet bleiben.